Wanderausstellung "Vergessene Flüchtlingslager in Bosnien-Herzegowina"
Die Schrecken des Krieges, der Verlust von Angehörigen, die Flucht aus den eigenen Heimen und das menschenunwürdige Leben am Rande der Gesellschaft sind die Themen der Wanderausstellung. Im Januar 2011 wurden in Bosnien und Herzegowina noch 113.365 Binnenvetriebene gezählt. Da häufig Bilder mehr sagen als tausend Worte, wird das Schicksal einiger dieser Menschen aus bosnischen Flüchtlingslagern gezeigt. Die Ausstellung beginnt mit dem Krieg und endet mit den Portraits der Menschen. 20 Jahre nach Kriegsende soll die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden, dass in Europa Würde und Rechte von Flüchtlingen und Vertriebenen missachtet werden.
Aussteller: Phillip von Recklinghausen; Andy Spyra; Sead Husic; Azra Arapovic, Cornelia Suhan
Termine/Orte/Partner vor Ort: Frankfurt a. Main: 04.-10.10.2012; Paulskirche; Partner: Pro Asyl, Verein "Sevdah"/Frankfurt Berlin: 19.01.-17.02.2013; Haus der Demokratie und Menschenrechte; Partner: Stiftung "Haus der Demokratie und Menschenrechte" Erfurt: 11.-30.07.2013; Alte Synagoge; Partner: Heinrich Böll Stiftung Karlsruhe: 09.-30.09.2013; Tollhaus; Partner: Gesellschaft für bedrohte Völker

Schirmherr
Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling - Bundesminister für Post u. Telekomunikation a. D. - Hoher Repräsentant und Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Bosnien-Herzegowina a. D. - Ehrenbürger der Stadt Büdingen
"Das aktuelle Projekt von Merhamet Deutschland befasst sich mit dem Schicksal von Flüchtlingen und Vertriebenen. Davon abgesehen, dass gerade uns Deutsche dies besonders betroffen machen sollte weil es uns einmal selbst besonders betraf, war ich in den 90er Jahren sehr stark in die Regelung des Aufenthaltsstatus der bosnischen Flüchtlinge involviert. Deutschland war damals das Land, das außerhalb der Anrainerstaaten die meisten Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet aufnahm. Viele von ihnen sind inzwischen zurückgekehrt. Dass es jedoch weiterhin (seit damals!) innerhalb von Bosnien und Herzegowina noch immer Vertriebene gibt, die in schäbigen Flüchtlingsunterkünften leben (die zudem noch fast verharmlosend lediglich als ‚Kollektivzentren’ bezeichnet werden), sollte uns, die wir hier fast in Nachbarschaft zu Bosnien leben, zumindest berühren, wenn nicht sogar herausfordern. Merhamet Deutschland hat sich vorgenommen, auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Es ist diesem Projekt von ganzem Herzen zu wünschen, dass die deutsche Öffentlichkeit hiervon mehr als nur beiläufig Notiz nimmt. All das lobenswerte Engagement, das Deutschland für von der Wirtschaftsmisere betroffene Länder in der Euro-Zone zeigt, soll bitte nicht dazu führen, dass der Balkan im Allgemeinen und Bosnien und Herzegowina im Besonderen vergessen werden. Diese Länder sind ein Teil des gemeinsamen Hauses Europa. Verprellen wir sie, verlieren sie zum zweiten Mal ihren Glauben an westliche und europäische Werte. Damals standen wir daneben, als eine brutale Soldateska brandschatzte und mordete. Und nun leben die, die überlebten, in erbärmlichen Siedlungen am Rande der Städte. Wer kümmert sich um ihre gepeinigten Seelen? Wer interessiert sich für sie? Es wird Zeit, dass wir etwas tun. Das Projekt »Die vergessenen Flüchtlingslager in Bosnien und Herzegowina« ist ein hervorragender Anlass, den Fokus auf Bosnien und Herzegowina und seine noch immer nicht bewältigten Kriegsfolgen zu richten. Sehr gerne übernehme ich hierfür die Schirmherrschaft."
Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV)
Tilman Zülch:
"Bosnien-Herzegowina wurde mit dem Daytoner Abkommen von 1995 geteilt, die nördliche Hälfte den serbischen Tätern überlassen und die Rückkehr der von dort vertriebenen Bevölkerung verhindert. Dieses Abkommen wurde u.a. von den USA, Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland mitunterzeichnet. 2,2 Mio. Bosnier und Bosnierinnen wurden zu Flüchtlingen und Vertriebenen gemacht. Die NATO-Truppen wurden nach dem Krieg an den Grenzen der beiden bosnischen Entitäten stationiert, statt zur Durchsetzung der Rückkehr eingesetzt. Dabei sah das Abkommen (Annex VII) das Recht aller Flüchtlinge und Vertriebenen vor, in ihre ursprünglichen Wohnorte zurückzukehren. Heute ist Bosnien ein geteiltes, zunehmend verelendetes Land. Die Kriegsopfer, die Vergewaltigten, die Verwundeten, die Bombenopfer, die ehemaligen KZ-Häftlinge, die Flüchtlinge und Vertriebenen sind in Vergessenheit geraten. Während Serbien und Kroatien sich der Europäischen Union annähern, ist Bosnien, das Opferland von Krieg und Völkermord, zum Paria gemacht worden. So sind von etwa 2,2 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen - 17 Jahre nach dem Krieg- fast noch eine Million außerhalb ihres Landes und können nicht zurückkehren. Die Lage der Binnenflüchtlinge ist katastrophal. Heute existieren in Bosnien-Herzegowina insgesamt 156 Flüchtlingslager. Davon sind 43 in der Republika Srpska und 107 in der Föderation Bosnien-Herzegowina. In diesen Lagern leben heute ca. 8 600 Menschen (2 900 Familien). Völlig vergessen von der internationalen Öffentlichkeit, ohne entsprechende medizinische Versorgung und Infrastruktur harren diese Menschen in Baracken, Bretterverschlägen und provisorischen Behausungen in den Flüchtlingslagern wie Karaula (Kanton Tuzla), Višća (Gemeinde Živinica), Ježevac (Gemeinde Banovići) , Špionica (Srebrenik) aus. Gerade die prekäre Lage dieser Menschen soll in der geplanten Ausstellung thematisiert werden, mit dem Ziel, die internationale Öffentlichkeit auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen und die bosnische Regierung und ihre zuständigen Ministerien zum Handeln zu bewegen, damit alle ihre Bürger in ihre Heimatorte zurückkehren können. Und während viele politische Ziele für dieses Land mit Recht als Prioritäten angesehen werden müssen, um die EU-Integration Bosnien-Herzegowinas voranzutreiben, dürfen wir diese Menschen nicht vergessen. Auch wenn kein Marshall-Plan für den Wiederaufbau Bosnien-Herzegowinas aufgestellt werden kann, müssten wenigstens diejenigen aus der absoluten Armut befreit werden, die seit 17 Jahren auf ein würdevolles Leben und eine Rückkehr in Sicherheit und Würde warten. Bitte helfen Sie „Merhamet“ mit einem Beitrag das Schicksal dieser Menschen außerhalb der Grenzen Bosniens bekannt zu machen. Das wird der erste Schritt sein, ihnen eine Zukunftsperspektive in ihrem Land zu eröffnen."
 
"Diese Ausstellung weckt Hoffnung, dass etwas für die vielen Menschen in den Kollektivzentren in Bosnien und Herzegowina getan wird", sagte Christian Schwarz-Schilling, ehemaliger Hoher Repräsentant in Bosnien und Herzegowina in seiner beeindruckenden Rede an der Eröffnungveranstaltung der Ausstellung in Frankfurt.
Die Ausstellung setzt sich mit grundsätzlichen Belangen des Zusammenlebens auseinander. Durch das Beleuchten der Lebenssituation von Flüchtlingen thematisiert das Projekt zentrale gesellschaftliche und menschenrechtliche Fragen, wie etwa Menschenwürde, Minderheitenrechte und die soziale Lage von Frauen und Kindern - die nach dem Verlust ihrer männlichen Angehörigen eine immense Last und Verantwortung zu tragen haben.Viele der Flüchtlinge aus dem Drinatal sind im Kanton Tuzla untergekommen, weshalb diese Region den Schwerpunkt der Fotoreportage darstellt. Die Fotos aus den Flüchtlinglagern sind jedoch nur ein Teil der Ausstellung, in der die Menschen über ihre Geschichte, ihre Gegenwart und ihre Vorstellungen von der Zukunft, ihre Hoffnungen und Ängste erzählen. Ein weiterer Bestandteil der Ausstellung ist die Fotodokumentation des Archivs der Föderaton Bosnien und Herzegowina ("Srebrenica Inferno").

Am 4. Oktober 2012 fand die feierliche Eröffnung im Kaisersaal des Frankfurter Römer statt. Später gingen die Gäste gemeinsam zur gegenüberliegenden Paulskirche, in der die Demokratie in Deutschland ihre Wurzeln hat, um die Ausstellung zu besichtigen. Gastgeberin der Veranstaltung war die Dezernentin für Integration der Stadt Frankfurt am Main, Frau Dr. Eskandari-Grünberg. In ihrer Rede zeigte sie ihre Anteilnahme für die Schicksale der Vertriebenen, der Menschen die ihre Angehörigen verloren haben und noch heute in den Flüchtlinglagern wohnen. Die Stadt Frankfurt nahm zu Kriegszeiten tausende Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien auf. Zum Empfang im Kaisersaal kamen etwa 150 Gäste. Unter ihnen Vertreter der politischen Parteien, Stadtverordnete, Vertreter zahlreicher Organisationen, die sich seit Jahren mit dem Thema Bosnien-Herzegowina auseinandersetzen. Diplomatisch vertreten waren die Länder Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Albanien.
Als Repräsentant unseres Kooperationspartner der Ausstellung, sprach Tilman Zülch, Generalsekretär der GfbV: "Die unvergesslichen Bilder der Aussteller, auf denen tiefste Armut und Hoffnungslosigkeit eingefangen wurden, sind ein Hilfeschrei. Mit ihren minimalen Renten von wenigen Euro im Monat müssen diese 7.000 Flüchtlinge und Vertriebene unter so elenden Umständen dahinvegetieren, als sei der Krieg noch nicht vorbei."
"In Bosnien und Herzegowina gibt es noch so viele ungelöste Probleme. Eines davon ist die Situation der Flüchtlinge vor Ort. Sie können oftmals nicht zurückkehren, sie wollen es auch nicht, weil sie wissen, dass ihre Peiniger, ihre Vergewaltiger, die Mörder ihrer Verwandtschaft noch immer straffrei in ihrem Heimatort leben," erklärte Fikret Hafizovic, damaliger Bundesdachvorsitzender von Merhamet Deutschland in seiner Begrüßungsrede.
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Nach Frankfurt wurde die Ausstellung im "Haus der Demokratie und Menschenrechte" in Berlin gezeigt.
"Diese Ausstellung zielt darauf ab, die Öffentlichkeit auf die unerträgliche Situation der vergessenen Flüchtlinge, die noch immer in Notunterkünften sind, aufmerksam zu machen", sagte Frau Marieluise Beck, Vorsitzende der Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages in Bosnien und Herzegowina bei der Eröffnung.
An der Eröffnung nahmen unter anderem der Botschafter von Bosnien und Herzegowina in Deutschland Edin Dilberović, der Vorstizende von Merhamet BiH Hajrudin Šahić, der Direktor des Archivs der Föderation BuH Adamir Jerkovic teil.Nach der Eröffnung der Ausstellung gab es eine Podiumsdiskussionen gewidmet der politischen Strategie der Verfolgung und der Rückkehr in BiH.

Zu den Teilnehmern gehörten
- Abdurahman Malkic, ehemaliger Bürgermeister von Srebrenica - Jurica Volarević, Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) - Dietrun Gunther, UNHCR-Vertreterin für Bosnien und Herzegowina, Sarajevo - Amir Omerovic, Medizinstudentin aus dem Flüchtlingscamp Spionica - Dirk Planert, Journalist und Gründer des Vereins "Hilfe Srebrenica" e V.
Die Ausstellung wurde neben Frankfurt und Berlin, in den Städten Erfurt und Karlsuhe gezeigt.
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